(Ir)rationalität der Liebe zwischen Mensch und Maschine

Irrationalität und Wahnsinn im Kontext der Romantik in «Der Sandmann»

Im Rahmen des Deutschunterrichts haben wir die Lektüre «Der Sandmann» von E. T. A. Hoffmann erarbeitet und ausführlich besprochen. Wir haben Motive sowie Bezüge zur Romantik behandelt. Im folgenden Abschnitt werde ich auf unsere Schlussfolgerung über die Lektüre im Kontext der Romantik und Nathanaels getrübten Blick bezüglich Olimpias Wesen in komprimierter Form eingehen.

Die Romantik als literaturgeschichtliche Epoche besitzt verschiedene Charakteristika. Dabei muss jedoch Literatur aus jener Zeit nicht zwangsläufig alle typischen Merkmale aufweisen. In «Der Sandmann» sind beispielsweise die typisch romantischen Motive Traum, Liebe, Schmerz und Nacht vertreten. Auch die romantische Vorstellung, dass der Mensch neben der Rationalen auch eine irrationale Seite hat, die aufgrund seiner Emotionen existiert, ist in Hoffmanns Werk erkennbar. Zu Beginn der Erzählung wird klar, dass Nathanael, der Protagonist, von seinen Kindheitserfahrungen ein Trauma erlitten hat. Daraufhin scheint er im Verlauf der Geschichte dem Wahnsinn zu verfallen. Er wird von seinen Gefühlen und Ängsten getrieben, was ihn anfällig gegenüber dem Wahnsinn macht. Seine Irrationalität wird veranschaulicht, indem er der Olimpia, einem Automaten in Form eines künstlichen Menschen, verfällt, ohne jemals deren Menschlichkeit in Frage zu stellen. Dies, obwohl ihm von verschiedenen Personen gesagt wird, dass Olimpia seltsam wirke. Objektiv gesehen erscheint Nathanaels Herzblatt unnatürlich. Er jedoch ignoriert diesen Sachverhalt und tut äusserem, rational begründetem Zweifel an Olimpias Authentizität jegliche Daseinsberechtigung ab. Als er dann Spalanzani und Coppelius dabei entdeckt, wie sie sich um Olimpia streiten, wird ihm bewusst, dass Olimpia ein Automat ist. Später in der Geschichte führt das dazu, dass er sich nicht mehr sicher ist, was real und was irreal ist. Er verfällt in eine Krise und seine Affekte nehmen überhand. Er verliert die rationale Kontrolle über seinen Körper und verhält sich wie ein Tier. Es geht sogar so weit, dass er versucht, seine Geliebte Clara vom Ratsturm zu stossen, weil er plötzlich denkt, dass sie ein Automat sei. Schlussendlich schafft es jedoch Claras Bruder noch, sie zu retten. Nathanael aber stürzt sich vom Ratsturm in den Tod und die Geschichte endet.

Beziehungen zwischen Menschen und künstlichen Wesen

KI wird heute von mehr Menschen als je zuvor verwendet. Sie kann hilfreich sein, birgt jedoch auch Gefahren in sich. Mit ihr kann man Menschen besser imitieren, als es je zuvor möglich war. Doch können künstliche Wesen menschliche emotionale Bedürfnisse befriedigen? Überträgt man Hoffmanns Mensch-Automaten-Beziehung auf KI, liefert uns das Ansätze, zu verstehen, wie menschliche Bedürfnisse auf künstliche Wesen projiziert werden können.

In der gesamten Erzählung zeichnen sich zwei Gründe ab, welche Olimpia für Nathanael attraktiv erscheinen lassen: Olimpias Äusseres und ihre schweigsame Natur. Der Leser kann ihr Aussehen nicht beurteilen, ihr Erscheinungsbild jedoch wird mehrmals beschrieben. Beispielsweise einmal von Sigmund, einer Nebenfigur, der sie als «starr und seelenlos» beschreibt. Nathanael kontert und sagt, dass nur dem poetischen Gemüt Olimpias Liebesblick aufgehe. Er nimmt nicht wahr, dass ihre Bewegungen mechanisch wirken und scheint nicht mehr rational denken oder urteilen zu können. Seine Liebe und Gefühle gegenüber einem künstlichen Menschen trüben seine Wahrnehmung. Ein reales Szenario, wie ein Fall eines Jungen aus den USA, der sich in eine persönlichkeitsnachahmende KI verliebt hat und dann Suizid begangen hat, um zu ihr zu gelangen, aufzeigt. Wenn Menschen KI also für eine echte Person halten, Emotionen in sie hineininterpretieren und sich verlieben, folgt ihr Denken, wie bei Nathanael, nicht mehr Rationalität. Dass er Olimpia so attraktiv findet, liegt somit mehr an seinen Emotionen als an ihrem Aussehen. Es ist also nicht wichtig, wie ein künstlicher Mensch aussieht, solange er ein visuelles Bild besitzt. Der zweite Grund zeigt auf, dass die Bedürfnisse eines Menschen befriedigt werden müssen, damit er sich verliebt. Nathanael sehnt sich nach einer guten Zuhörerin, die ihre Aufmerksamkeit nur auf ihn lenkt. Olimpia erfüllt das ideal. Jedoch haben unterschiedliche Menschen andere Bedürfnisse. Für KI ist das aber kein Problem, da sie genau darauf trainiert wird. Sie liefert die wahrscheinlichste Antwort, die auf die Eingabe des Nutzers passt und dessen Bedürfnisse erfüllt. Während Olimpia also nur Nathanaels Vorstellungen entspricht, hat KI das Potenzial, genau das für viel mehr Menschen zu tun und sich dabei anzupassen.

Schlussendlich lässt sich sagen, dass die Menschheit durch KI einem künstlichen Menschen schon sehr nahekommt. Sie versteht und befriedigt Bedürfnisse tadellos. Eine Chance und Gefahr zugleich. Denn wenn wir ihr ein Aussehen und Charakter verleihen, kann sie uns in die Illusion eines echten Menschen versetzen. Verlieben wir uns dann in sie, verlieren wir den Draht zur Realität und beginnen irrational zu denken. Wir sollten uns in Zukunft also gut überlegen, wie weit wir mit der Vermenschlichung von KI wirklich gehen wollen, damit wir weitere solche Szenarien vermeiden können.

Metatext

Zu Beginn des Arbeitsprozesses habe ich damit begonnen, Ideen zu sammeln, worüber ich
schreiben könnte. Als ich dann eine grobe Richtung hatte, habe ich eine kurze Version
des Aufbaus skizziert und überlegt, welche passende Bezugsquelle ich verwenden
könnte. Dabei erinnerte ich mich an den Fall eines Jungen, der sich das Leben nahm,
weil er sich in KI verliebte, zurück und dachte, dass ein Zeitungsartikel zu diesem
Thema eine gute Quelle darstellen würde. Anschliessend nahm ich mir das Buch zur Hand
und markierte wichtige Textstellen, die in diesem Kontext relevant waren. Danach
schrieb ich die erste Version des Textes. Wenn mir ein Wort nicht einfiel oder ich
ein Synonym benötigte, fragte ich ChatGPT. Nachdem ich die erste Version
fertiggestellt hatte, war ich jedoch nicht wirklich zufrieden damit. Daher setzte ich
mich später noch einmal daran und änderte grössere Teile des zweiten Abschnitts, um
Lücken und Fehler meiner Argumentation zu schliessen. Diese Version gab ich dann KI,
um mir alle Fehler aufzeigen zu lassen und korrigierte diese. Meiner Meinung nach
stellt nun die fertige Version eine klare Verbesserung gegenüber meiner ersten dar.
Denn beim Überarbeiten wurde ich mir meiner Argumentation nochmals wirklich bewusst
und konnte sie besser ausführen als zuvor. Mit dem resultierenden Blog-Beitrag bin
ich nun recht zufrieden und denke, dass ich meine gewonnenen Erkenntnisse zum
Ausdruck bringen konnte.